Traditionsbruch in Leipzig

LEIPZIG. (hpd) Die Katholische Hauptkirche der Stadt Leipzig ist die Propsteikirche St. Trinitatis. Sie ist - so heißt es - baufällig und nicht mehr sanierbar. So ist ein Neubau geplant. Im Zentrum von Leipzig. Direkt gegenüber dem Neuen Rathaus. Eine Provokation an das früher so sehr evangelische und heute weitestgehend konfessionsfreie Leipzig? Eine Zurückeroberung verlorenen Terrains?

 

Eine wechselvolle Geschichte

Nach der Reformation hatten die Katholiken einen schweren Stand in Leipzig. So erhielten bis 1831 nur Evangelisch-Lutherische das Bürgerrecht der Stadt. Kurfürst August II. (der „Starke"), der zum Katholizismus konvertiert war, um König von Polen werden zu können, hatte in der Pleißenburg - oberhalb und außerhalb der mittelalterlichen Stadtanlage - im Jahr 1710 einen Raum im Torhaus der Burg für katholische Gottesdienste als Kapelle herrichten lassen. 1847 wird die erste Trinitatiskirche in der Rudolphstraße geweiht. Eine Straße und ein Standort westlich, quasi in Sichtweite zum Neuen Rathaus (der ehemaligen Pleißenburg). Im Dezember 1943 wird die Kirche durch einen Bombenangriff schwer beschädigt, nur Außenmauern und Turm bleiben stehen. Die 1954 erteilte Standortgenehmigung für einen Neubau der Kirche an der alten Stelle wird 1955 wieder zurückgenommen. 1975 wird wegen Neubau der Propsteikirche auf Devisenbasis verhandelt (7 Millionen DM aus der Bundesrepublik) und 1976 auf Weisung der DDR-Regierung ein neuer Standort festgelegt, an der Emil-Fuchs-Straße (im Rosental) im nordwestlichen Bereich des alten Stadtzentrums. Diese heutige katholische Kirche St. Trinitatis ist eine von neun katholischen Kirchen in Leipzig, in funktioneller Stahlbeton-Bauweise erbaut, gilt heute als baufällig und wäre nur mit einem „unvertretbarem finanziellen Aufwand - die Gutachten sprechen von 4,5 Millionen Euro - zu sanieren".

Nach Darstellung der Propsteikirche befürworteten am 10. November 2008 „Bischof Joachim Reinelt, Propst Lothar Vierhock, der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung, und der Generalsekretär des katholischen Bonifatiuswerkes, Monsignore Georg Austen ausdrücklich den Neubau der Propstei in der Leipziger Innenstadt. Nachdem sich der Grundstücksverkehrsausschuss der Stadt für den Bau einer katholischen Kirche an der Nonnenmühlgasse ausgesprochen hat, können jetzt die Verhandlungen zum Kauf des Gründstücks beginnen. Parallel wird der Architektenwettbewerb vorbereitet."

Fragwürdigkeit des Standorts

Hier beginnen die Fragen irritierter Leipziger Bürger. Der Kern der Empörung ist weniger die Tatsache eines geplanten Neubaus, vielmehr befremdet der exponierte und der Leipziger Topographie / Geschichte widersprechende vorgesehene Standort. Die prompte Zustimmung von Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) trifft auf harsche Kritik (Jung begann seine Karriere vormals als Religionslehrer). Katholiken haben in der Stadt niemals eine besondere Rolle gespielt. Leipzig verstand sich - neben Wittenberg - als Zentrum der Evangelisch-Lutherischen, als Kernland der Reformation.

Nach den aktuellsten Zahlen (2007) aus dem Melderegister der Stadt sind von den 510.500 Einwohnern rund 60.000 (oder 11,8 %) Evangelisch-Lutherisch, 21.000 ( 4,1 %) Römisch-Katholisch und rund 429.000 (84 %) sonstiger Religionszugehörigkeit und Konfessionsfrei. Der Anteil der Muslime liegt dabei unter einem Prozent.

4,1 % Katholiken

Auch wenn die alte St.Trinitaskirche ehemals westlich in Sichtweite des Neuen Rathauses stand, so ist der Neubau heute auf einem 4.000 qm ‚Filetgrundstück' vorgesehen, südlich und auf dem höchsten Gelände der City, direkt oberhalb und gegenüber der prachtvollen Schauseite des Neuen Rathauses mit den Fenstern des Plenarsaales und des Arbeitszimmers des Stadtoberhaupts, von diesem kaum nur getrennt durch den Martin-Luther-Ring. Partnerschaftliches Zusammenwirken kann augenfälliger nicht sein. Genau mit diesem Standort werde ein unangemessener Anspruch der Bauherren und eine Anmaßung gesehen. Das Gefühl und das Wissen dafür mögen die mittlerweile überwiegend „Ortsfremden", die an den politischen und kulturellen Schaltstellen in Leipzig sitzen, verständlicherweise noch nicht besitzen, ein Affront bleibe es dennoch.

Wie sehr die katholische Kirche versuche, sich in eine nicht vorhanden gewesene tradierte Bedeutung hinein zu assoziieren, zeige auch der angegebene Straßenname „Nonnenmühlgasse". Es wird der Eindruck erweckt, als sei dort traditionell katholisch genutzter Boden. Tatsächlich wurde der Mühlenbetrieb dort vor rund 150 Jahren eingestellt, die Gebäude abgebrochen und 1890 beim Bau des Promenadenrings mit der Karl-Tauchnitz-Brücke ersetzt. Das heute stadteigene, unbebaute Areal (mit den Flurstücken 793, 796, 797, 3823 und 4426/5) grenzt mit seiner Rückseite an den noch immer so benannten unscheinbaren Fußweg. Eine korrekte Straßenbezeichnung für die Adresse des geplanten Bauwerks als „Martin Luther-Ring" Ecke „Peterssteinweg" müsste dem auch ehrlicherweise Rechnung tragen, sollte man meinen. Auch im Deutschen Architektur-Forum wird die Frage diskutiert, was es mit diesem Standort auf sich hat.

Größter Neubau eines katholischen Gotteshauses nach der Wende

Wie die Stadt Leipzig es selber darstellt, startet mit dem Projekt „der größte Neubau eines katholischen Gotteshauses nach der Wende in den neuen Bundesländern." Nach Angaben der Gemeinde wird der Neubau mehr als zehn Millionen Euro kosten. „Den Hauptteil übernimmt das Bistum Dresden-Meißen. Das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken beabsichtigt, den Neubau mit einer Million Euro zu unterstützen. Und die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) hat bereits zugesagt, eine nachhaltige und umweltbewusste Bauweise zu fördern."

Deutschlandweite Kollekte in allen katholischen Kirchen

Dass es sich dabei um ein politisches Prestigeobjekt handelt, das gar nicht aus eigener Kraft der katholischen Kirche in Leipzig finanziert werden kann, zeigt auch der „Gemeinsame Aufruf der deutschen katholischen Bischöfe zur Sonderkollekte für den Wiederaufbau der Propsteikirche St. Trinitatis in Leipzig." (Beispiel des Bistums Trier bzw. des Bistums Görlitz)

„Liebe Schwestern und Brüder!
Wir deutschen Bischöfe rufen unsere Gemeinden zu einer außerordentlichen Kollekte auf. Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall wollen wir in Leipzig ein Zeichen setzen, das unseren Glauben in dieser bedeutenden Stadt bezeugt.
Nach der Sprengung der Universitätskirche hatte das kommunistische System die katholische Kirche an den Rand der Innenstadt gedrängt. Jetzt kann die Propsteikirche zurück ins Zentrum. Eine junge und stetig wachsende Gemeinde wird das neue Propsteizentrum mit Leben erfüllen und kann endlich ihr baufälliges Haus verlassen.
Lasst uns gemeinsam dieses neue Gotteshaus bauen. Helfen wir mit unserer Spende am 7./8. Februar 2009.
Der Dreifaltige Gott, dem diese Kirche geweiht wird, segne Eure Hilfsbereitschaft."
Dieser Aufruf ist am Sonntag, dem 1. Februar 2009, in allen heiligen Messen einschließlich der Vorabendmessen zu verlesen.
Der Erlös dieser Kollekte ist ausschließlich für den Wiederaufbau der Propsteikirche in Leipzig bestimmt und ohne Abzüge weiterzuleiten."

Der im Aufruf enthaltene Satz: „Jetzt kann die Propsteikirche zurück ins Zentrum", entspricht auch der Sichtweise von Joachim Reinelt (Bischof von Dresden-Meißen): „In Zeiten des Rückgangs und der Verzagtheit ist dieser Neubau ein ermutigendes Zeichen des Aufbruchs und der Geborgenheit - ein Beispiel für ansteckendes Christentum in einer deutschen Stadt."

Das Bistum Dresden-Meißen hat den Neubau der Propstei-Kirche an oberster Stelle der Startseite ihres Internetauftritts stehen und wirbt dort für Spenden: „Die Katholiken in Leipzig brauchen Ihre Hilfe. Bauen Sie mit an der neuen Propsteikirche in Leipzig: Jeder Beitrag ist ein lebendiger Stein für ein neues Gotteshaus, das architektonisch und seelsorglich eine Kirche aus dem Heute für das Morgen sein wird. Weiter zur Spende."

„Ansteckendes Christentum"

Und so ist es sicherlich auch kein Zufall, dass der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) just am Sonderkollektentag, am 8. Februar 2009, in MDR FIGARO | 10:00-11:00 Uhr (Gottesdienst-Sendungen) aus der Leipziger Propsteikirche sendet. Tenor: „Das Bauvorhaben kann die Propsteigemeinde jedoch nicht alleine tragen. Das Bistum Dresden-Meißen und das Bonifatiuswerk werden Unterstützung geben. Die Deutsche Bischofskonferenz hat der neuen Propsteikirche sogar eine deutschlandweite Kollekte zugedacht."

Das beteiligte Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken ist ein Missions- und Hilfswerk, das katholische Gemeinde in der Diaspora, wo Katholiken in der Minderheit sind, finanziell und mit Sachspenden unterstützt. Der amtierende Generalsekretär hat es unter das Motto gestellt: „Die Botschaft Jesu offensiv in die Öffentlichkeit tragen".

Auch die CDU-Fraktion im Leipziger Rathaus begrüßt den Neubau mitten im Zentrum der Stadt und formulierte bereits im September 2008 ihre Unterstützung: „Wir fordern die Stadtverwaltung auf, den Kirchenneubau nach Kräften zu fördern. Die Stadträte der CDU-Fraktion werden diesen in den beteiligten Ausschüssen und Gremien des Stadtrates aktiv unterstützen" so der Fraktionsvorsitzende Alexander Achminow abschließend.

Bistum arglos

Das Bistum hat von einem Widerspruch gegen den Standort bisher noch nichts gehört und hätte dafür auch kein Verständnis. Solche Einwände, so der Bistumssprecher Michael Baudisch, betrachte er als: „Lächerlich! Die Kirche hat immer am Ring gestanden und ob nun westlich oder südlich, worin besteht der Unterschied?" Die Pläne seien sehr positiv aufgenommen worden und das Bistum habe aus Leipzig bisher auch nur Zustimmendes und Wohlwollendes gehört. Man habe auch verschiedene andere mögliche Bauplätze geprüft und sich dann für dieses Grundstück entschieden. Nach Abschluss des seit Anfang Januar laufenden Bodenprüfungsgutachtens werde der Kaufvertrag unterschrieben. Nach Abschluss des Architektenwettbewerbs ist 2009 als Baubeginn terminiert und man plane, dass die die Kirche 2012 fertig sei.

Carsten Frerk